05.08.2015 - Bürgerversammlung in Sand: Interesse und Hilfsbereitschaft sind riesig
Wie hoch das Interesse am Thema Flüchtlinge in Bergisch Gladbach ist, machte der Andrang in der Sander St.-Severinskirche am Dienstag, dem 4. August deutlich: Der Einladung des Bürgerportals in-gl und der Stadtverwaltung zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung waren etwa 300 Bürgerinnen und Bürger gefolgt.
Die Moderation übernahm Georg Watzlawek vom Bürgerportal, als Gesprächspartner standen Bürgermeister Lutz Urbach und Ingeborg Schmidt als Erste Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes am Podium. Zur Beantwortung weiterer Fachfragen waren auch die städtischen Fachbereichsleiter Beate Schlich, Dettlef Rockenberg und Bernd Martmann anwesend. Auch Claudia Kruse, Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Köln, stand als Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Bürgermeister Urbach stellte zunächst die Notsituation dar, die zur Belegung der Sander Turnhalle geführt hatte: „36 Stunden Zeit blieben uns zur Organisation der Erstaufnahme von 78 Flüchtlingen. Es war ein Segen, dass uns das DRK mit seiner gesamten Professionalität zur Seite gestanden hat."
Ingeborg Schmidt schilderte die Situation vor Ort als entspannt. Alle Neuankömmlinge seien sehr freundlich, hilfsbereit und nicht fordernd. „Manche nennen mich Mum", erzählt sie lachend. Dass diese Menschen durch ihre Herkunft oder Religion eine Gefahr darstellen könnte, wies sie weit von sich. Die Arbeit des DRK, aber auch das Engagement der Stadtverwaltung wurden mit anmerkendem Beifall bedacht.
In einer ersten Diskussionsrunde war das Publikum vor allem interessiert an der Frage, wie konkret geholfen werden kann. Ingeborg Schmidt brachte es auf den einfachen Nenner: „Hilfe aller Art ist willkommen!" Interessenten können sich an eine Reihe von Koordinationsstellen wenden, die die Angebote kanalisieren und für bestmögliche Umsetzung sorgen. Besonders willkommen sei im Moment Spielzeug für Kinder, das auch direkt zur Unterkunft gebracht werden könne: „Wir haben zum Beispiel nur ein Bobbycar."
Besonders am Herzen lagen den Sandern die derzeitigen und künftigen Nutzungsmöglichkeiten der Turnhalle in ihrem Stadtteil. Bürgermeister Urbach erläuterte, warum die Wahl für die Erstaufnahme der 78 Flüchtlinge auf diese Sportstätte gefallen war: Die benötigte Infrastruktur (sanitäre Anlagen etc.) seien vorhanden, das Außengelände biete genügend Platz, Zelte und Container aufzustellen. Vor allem sei die Nutzung gegenüber regulären Schulturnhallen am wenigsten belastend, da hier nur sechs Schulsportstunden pro Woche stattfinden.
Urbach wies weiter darauf hin, dass die Bezirksregierung Köln als zuweisende Behörde im Unklaren gelassen habe, ob die erstaufgenommenen Flüchtlinge bis zum Ende der Sommerferien den Standort wieder verlassen. Auf den Vorschlag der Stadt, die Menschen in Bergisch Gladbach zu halten und nicht im regulären Zuweisungsverfahren auf andere Kommunen in NRW aufzuteilen, habe die Bezirksregierung ebenfalls nichts zusichern können. Dies würde nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung eine Anrechnung der 78 Personen auf die Gesamt-Aufnahmequote bedingen. „Ebenso wenig kann garantiert werden, dass die Turnhalle bei der derzeitigen Zuweisungssituation nicht noch einmal neu belegt werden muss, selbst wenn Lösungen für die Unterbringung der heutigen Bewohner an anderer Stelle gefunden sind", so Urbach.
Die Bemühungen der Stadtverwaltung zur Entzerrung der Situation laufen zur Zeit auf Hochtouren. Ziel ist es, die Turnhalle im September wieder frei nutzen zu können. In Falle des Falles stehen Ausweichlösungen für den Schul- und Vereinssport bereit. So kann die Grundschule Herkenrath, deren Sportstunden vor kurzem erst wegen Sanierung der eigenen Turnhalle nach Sand umquartiert worden war, nach Moitzfeld ausweichen, die Grundschule Sand kommt in Dürscheid unter. Auch für den Fußballbetrieb auf dem Außengelände wurden Lösungen mit dem Vereinsvorstand des DJK-SSV Ommerborn vereinbart: Der Sportplatz wird weiterhin genutzt, WCs stehen in Containern zur Verfügung. Lediglich aufs Duschen muss verzichtet werden. Das „Special Team" des Vereins weicht zur Gesamtschule Paffrath aus. Bürgermeister Lutz Urbach: „Die Gespräche mit dem Verein verliefen ausgesprochen konstruktiv." In diesem Zusammenhang stellte der Bürgermeister auch klar, dass die Sanierung der Halle durch die derzeitige Nutzung nicht in Frage gestellt sei: „Die Finanzierung ist gesichert und die Arbeiten für 2017 eingeplant."
Bezüglich der alternativen Unterbringung der Flüchtlinge sind mehrere Lösungen greifbar, wie Urbach erläuterte: „Das Land stellt das Forsthaus Broichen in Bensberg kostenlos zur Verfügung, und sechs Schulklassen in Containerbauweise zur Unterbringung von bis zu 90 Personen sind der Stadt angeboten worden." Diese Quartiere müssten allerdings umgesetzt bzw. mit Sanitäranlagen versehen werden, was nicht von heute auf morgen zu schaffen sei: „Mit mehreren Wochen Vorlaufzeit müssen wir rechnen." Über den geplanten Standort der Container gab der Bürgermeister noch keine Auskunft: „Er soll in der Nähe einer Schule platziert werden. Den Schulleiter haben wir aber noch nicht erreicht." Ingeborg Schmidt widersprach in diesem Zusammenhang der landläufigen Ansicht, Container seien als Wohnraum unzumutbar: „Ich habe schon sehr gemütliche Einrichtungen gesehen."
Weitere Optionen wurden aus dem Publikum vorgeschlagen und diskutiert. Die Stadt selbst streckt die Fühler in alle möglichen Richtungen aus bis hin zu leerstehenden Gewerbeimmobilien. Geholfen sei auf jeden Fall mit privatem Wohnraum, den die Stadt anmieten kann: „Wer eine Wohnung zur Verfügung stellt, hilft am schnellsten und unkompliziertesten.", so Urbach. Belegt würden solche Immobilien mit Flüchtlingen, die voraussichtlich lange bleiben, um hohe Fluktuationen zu vermeiden.
Den unkonventionellen Schlusspunkt setzte Ingeborg Schmidt mit der Frage: „Was können die Flüchtlinge tun, um Ihnen zu helfen?" Eine sinnvolle Beschäftigung sei wichtig, die Möglichkeiten jedoch begrenzt. Von Ehrenämtern über Hospitationen in den erlernten Berufen über Mithilfe bei Veranstaltungen im Ort wurden spontan einige Ideen entwickelt.
Fotos und Text: Stadt Bergisch Gladbach